Einführung

Durch eine Reflexion – bspw. von konkreten Erfahrungen anhand von theoretischen Konzepten –  wird der Versuch unternommen, Wissen und Können in Verbindung zu setzen. Eine Leitidee dahinter ist zum Beispiel die Professionalisierung im Sinne eines "Reflective Practitioners" (Schön 1983). So können die Kompetenzen der Studierenden auf einer tiefgehenden Ebene geprüft werden.

Trotz aller Unterschiede teilen Reflexionsportfolios und Lerntagebücher folgende Merkmale: 

  • Kritisches Denken - Bei einem Lerntagebuch hinterfragen Studierende ihren Lernprozess kritisch. Das Reflexionsportfolio nimmt dafür die Zusammenarbeit oder das Produkt in den Blick.
  • Prozessbezug - Studierende können ihre Lernstrategien oder ihre Arbeitsweise basierend auf einer eigenen Analyse weiterentwickeln.
  • Individualität - Die reflexiven Formate eröffnen Chancen für eine Individualisierung beim Lernen oder bei der Erarbeitung eines Produkts durch Einzelarbeit und die Berücksichtigung von Vorwissen und Vorerfahrungen. 

Hier finden Sie eine detailliertere Beschreibung der Prüfungsformate mit ihren jeweiligen Alleinstellungsmerkmalen.


Reflexionsportfolio

Lehrenden-Motivation

"Ich leite ein Blockseminar zum Thema Spielerziehung. Die Studierenden entwickeln dabei während der Blocktermine selbst Spiele, testen und bewerten diese dann. Währenddessen lade ich zur Vor- und Nachbereitung geeignete Literatur für die Studierenden hoch. In der Prüfung geht es nun darum, dass sie ihre Ergebnisse nach Leitfragen, wie beispielsweise der Praktikabilität, reflektieren. Dafür können sie das Wissen der Literatur oder auch die Ergebnisse der Tests aus dem Seminar nutzen. Das mache ich einerseits, damit die Studierenden sich in ihrem Wissen spezialisieren und dieses anwenden können. Andererseits sollen sie ihr Produkt und damit ihre Fähigkeiten kritisch mit fundierten Behauptungen hinterfragen und damit verbessern können. Dadurch sehen sie auch, welche Inhalte oder Aspekte des Produkts sie wirklich für sich mitnehmen und später nutzen wollen. Das Ganze muss am Ende natürlich auch bewertet werden, wobei aber die Argumentationsweise für mich am wichtigsten ist. Das heißt ich suche nach einer schlüssigen Argumentation, theoretisch oder praktisch fundierte Aussagen und einem roten Faden."

Studierenden-Erfahrung 

"Das Seminar war recht früh im Studium. Da hatte ich aber das erste Mal das Gefühl, dass ich etwas gemacht habe, was ich wirklich 1:1 in den Unterricht übertragen konnte. Durch die Reflexion konnte ich mein Ergebnis dann nochmal mehr hinterfragen und auch verbessern. Auch die Theorie ist mehr hängen geblieben, als das bloß auswendig zu lernen. Das dann verbesserte Spiel konnte ich etwas später sogar im Praktikum ausprobieren. Es war zwar noch nicht zu 100% perfekt, hat aber schon ziemlich gut geklappt! Ohne die Reflexion wäre das wohl ziemlich nach hinten losgegangen. Insgesamt war das zwar mit einigem Aufwand verbunden, aber ich fand das Seminar super. In meinem späteren Beruf als Lehrerin muss ich ja sowieso in der Lage sein, mich und meinen Unterricht ständig zu hinterfragen. Warum also nicht direkt im Studium schon damit starten?"

Beschreibung

  • Das Reflexionsportfolio bietet eine Struktur für die individuelle Reflexion. Konkret handelt es sich um eine Sammelmappe, die entweder aus einem zusammenhängendem Prozess für eine Produkterarbeitung oder aus einer Sammlung kleinerer Aufgaben und Produkte besteht.
  • Durch die Anwendung von theoretischen Konzepten auf beispielhafte Fragen und Zusammenhänge sollen die beiden Bereiche, Wissen und Können, in Verbindung gebracht werden.
  • Der Fokus liegt neben der Arbeit mit den Lerninhalten auch auf dem Lern- und Arbeitsprozess. Die Studierenden reflektieren, welche Herausforderungen sie erlebt haben und was sie daraus für ihr zukünftiges Handeln ziehen können.

Durchführung

  • Die Studierenden können in einem Word-Dokument oder in einem OneNote Notizbuch arbeiten, bei dem Sie ihre vorab erarbeiteten Produkte in den Anhang setzen, um Bezug darauf nehmen zu können. Für die Abgabe eignet sich ILIAS. 
  • Ein Portfolio mit verschiedenen Aufgaben und Produkten erarbeiten die Studierenden während des Seminars. Die Reflexion findet nach Abschluss dieses Prozesses statt und ist durch Kategorien oder Leitfragen strukturiert (z. B. Herausforderungen im Erarbeitungsprozess).
  • Geeignete Bewertungskriterien sind bspw. die Objektivität und Vollständigkeit der Beschreibung, die sprachliche Gestaltung und Argumentationsstruktur oder die Nutzung schlüssiger Kriterien für die Reflexion und der Aufbau einer kritischen Distanz zu dem Produkt.

Aufwand

Besondere Potenziale

  • Die Reflexion regt Studierende dazu an, ihre vorherige Arbeit aus der Vogelperspektive zu sehen. Dies unterstützt sie dabei, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und deren Bedeutung für die spätere Berufstätigkeit einzuordnen.
  • Im Vergleich zum Handlungsdruck im Berufsalltag können hier die zeitlichen Spielräume und der Schonraum des Studiums eingesetzt werden, um eine intensivere und kritischere Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit anzuregen. Dies zielt auf einen tiefergehenden Lernprozess. 

Lerntagebuch

Lehrenden-Motivation

"Als Prüfungsformat für mein Einstiegsseminar zu Psychologie habe ich meine Studierenden experimentell dieses Semester ein Lerntagebuch ausfüllen lassen. Das Ganze hatte in meinen Augen drei Funktionen:

  1. Direkt zu Beginn des Studiums Lernstrategien entwickeln, die für die Studierenden weiterhin nutzbar bleiben.
  2. Das wichtigste Wissen aus diesem Grundlagenmodul tiefer verankern.
  3. Kritisches Denken fördern. Ich wollte, dass die Studierenden sich fragen - "Was davon ist für mich besonders wichtig und warum?" - und dass sie ihr bisheriges Verständnis sowie ihre Arbeitsweise in Frage stellen.

Es war organisatorisch erst gar nicht so einfach, ein dafür geeignetes Seminar zu konzipieren. Letzten Endes hat sich eine gemischte Struktur herauskristallisiert mit Kurzvorträgen der Studierenden, Arbeitsphasen, theoretischem Input zum Selbstlernen und Frontalunterricht. Wichtig war für mich, dass das Seminar jede Woche einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt hatte, wo zwar Querverbindungen geschlossen werden konnten, aber wo auch eine isolierte Reflexion möglich ist. Jede Woche sollte dann einen kurzen Abschnitt im Lerntagebuch erhalten nach einigen Leitideen, die wir zu Beginn des Seminars gemeinsam ausgemacht haben. Das Ende des Lerntagebuchs wurde dann noch durch einen finalen Part ausgemacht, wo die Studierenden von dieser Mikroebene eher zu einer Makroebene wechseln sollten. Das heißt die Reflexion sollte dann einen Bezug übergreifend auf das gesamte Seminar nehmen."

Studierenden-Erfahrung 

"Das Lerntagebuch? Ja, also rückblickend hat mir das glaube ich schon geholfen. Ich musste erst so ein bisschen reinkommen, weil es ungewohnt war. Dann habe ich aber sogar angefangen, damit meinen gesamten Lernprozess für das Semester zu organisieren. Das hat mir echt geholfen und ich konnte ein paar Tricks mitnehmen. Aber auch das, was ich im Seminar gelernt habe, ist gut hängen geblieben. Dadurch, dass man rausfiltern musste, was besonders wichtig war, und die Inhalte in eigenen Worten wiedergegeben hat, konnte ich mir das besser merken."

Beschreibung

  • Das Lerntagebuch als Prüfungsformat bietet einen strukturierten Rahmen zur Reflexion des individuellen Lernprozesses.
  • Bei einem Lerntagebuch dokumentieren Studierende ihre Lernziele, -strategien und -fortschritte. Die Dokumentation verteilt sich über das gesamte Semester. 
  • Die Reflexion bezieht sich auf die Integration von theoretischem Wissen oder praktischen Handlungen in die eigene Erfahrungswelt und die damit verbundene persönliche Bedeutung.
  • Weitere Informationen finden Sie bspw. bei Kornmann (2009). 

Durchführung

  • Hinsichtlich der Umsetzung können die Studierenden an einer untergliederten Word-Vorlage arbeiten und diese (falls gewünscht abschnittsweise) in ILIAS als PDF-Datei hochladen. Alternativ kann auch MS OneNote eingesetzt werden, worüber Aufgaben verteilt und eingesammelt werden können. 
  • Leitfragen helfen den Studierenden bei der Orientierung und Reflexion. Zum Beispiel:
    • Was war mein wesentliches Lernergebnis?
    • Wie kann ich das Gelernte für mein späteres Berufsleben einsetzen?
  • Geeignete Bewertungskriterien können die Korrektheit und Differenziertheit der Darstellung sowie die Konsistenz und Plausibilität der Anwendung oder die Individualität und Kreativität der Argumentation darstellen.

Aufwand

Besondere Potenziale

  • Das Lerntagebuch geht auf den Lernprozess der Studierenden ein und zielt auf die Weiterentwicklung der Selbstlernkompetenzen. Durch das Planen und Festhalten von Lernzielen wird bspw. die Organisation des Lernens unterstützt. Vor allem zu Beginn des Studiums kann dies für viele Studierende eine wichtige Stütze sein, um "Lernen zu lernen".
  • Mit dem Lerntagebuch kann der Umgang mit wissenschaftlichen Konzepten und Begriffen besonders gut eingeübt werden. Im Vergleich zu Hausarbeiten und Klausuren ist hier ein etwas freierer Umgang der Studierenden möglich, bei dem sie sich zunächst auf einzelne Aspekte fokussieren. So werden sie Schritt für Schritt an eine wissenschaftliche Arbeitsweise herangeführt.

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